Die Juni-Ausgabe 2011 von Texte zur Kunst greift mit Artistic Research ein Thema auf, das seit etwa zwei Jahrzehnten vor allem auf hochschulpolitischer Ebene vermehrt diskutiert wird. Aktuell zeichnet sich in der universitären und akademischen Ausbildung die Tendenz ab, Kunst als Feld einer „Forschung“ zu bestimmen – Artistic Research ist somit ein heiß umstrittener Bezugspunkt bildungs- und forschungspolitischer Initiativen, obwohl die historischen und systematischen Voraussetzungen dieser „Forschung“ nach wie vor weitgehend ungeklärt sind. Unter den practitioners, Künstlern/Künstlerinnen, Hochschullehrern/-lehrerinnen, Kuratoren/Kuratorinnen usw., hat die Debatte die naheliegende Frage nach der jahrhundertealten Beziehung von Kunst und Wissenschaft dabei freilich längst hinter sich gelassen. Zwar dürfen die Hinweise auf die historischen Ausdifferenzierungsprozesse beider Disziplinen und deren Zurückweisung durch die Avantgarden der Moderne nicht fehlen. Aber inzwischen – und hier liegt das Hauptaugenmerk dieser Ausgabe – geht es wesentlich mehr darum, die Spezifik künstlerischer Forschungspraxis und die Bedingungen ihrer Möglichkeit zu erhellen, als immer wieder die Dialektik (oder Synthetik) von „Kunst“ und „Wissenschaft“ auszubuchstabieren. Trotzdem ist gerade für diese Klärungsarbeit die genealogische Untersuchung der kritischen Inanspruchnahmen des Status und der Funktion von Forschung und Wissenschaftlichkeit entscheidend. In den unterschiedlichsten Milieus der Kunst der Nachkriegszeit finden sich künstlerische Artikulationen, die den Bezug zu Forschung und zu wissenschaftlichen Konzepten suchen und die künstlerische Arbeit oft selbst als Untersuchungsmethode ansehen. Vor diesem historischen Hintergrund diskutiert Tom Holert in seinem Beitrag zu dieser Ausgabe die Herausforderungen der institutionellen Implementierung von künstlerischer Forschung als einer sich selbst reflektierenden Praxis. Dadurch eröffnen sich andere Zugänge zur Wissensproduktion, die jenseits positivistischer Standards und objektiver Evidenzkriterien liegen. Parallel zu den Debatten über das Verhältnis von wissenschaftlicher zu künstlerischer Erkenntnisgewinnung wurde durch Entwicklungen in der Kunstausbildung vor allem in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten Artistic Research als akademische Protodisziplin an vielen art schools und Akademien installiert (zu den Bedingungen siehe das Interview mit James Elkins).