Bildung als Disziplinarmethode

Laut Foucault kann Repression und Überwachung nicht einfach als einseitiges Verhältnis einer Einwirkung auf einen zuvor „ganzen Körper“ oder „ganzen Geist“ verstanden werden. Macht, und mit ihr Repression, seien so nicht nur unterdrückend, sondern auch produktiv. Das heißt, dass erst die Machtstrukturen überhaupt die Subjekte konstituieren, die dann eine Gesellschaft bilden. Foucault macht dabei drei große Machttechniken aus:
1.Einschluss der Individuen in einen nach außen abgeschlossenen Bereich, wobei jeglicher Transfer zwischen dem eingeschlossenen Bereich und der äußeren Welt, etwa von Menschen oder Gütern, kontrolliert werden kann.
2.Parzellierung, das heißt jedem Individuum wird ein fester Platz und feste Funktion zugewiesen, wodurch eine Kontrolle der Individuen und ihrer Leistungen effektiviert wird.
3.Hierarchisierung, das heißt die Individuen werden nach Rang und Status klassifiziert. Jedes Individuum ist dann durch einen ganz bestimmten Abstand zu anderen definiert und wird versuchen, sich jener Norm, welche der Klassifikation zu Grunde liegt (z. B. gute Noten, hohe Produktivität), anzupassen.
Nachdem diese Machttechniken im 16. und 17. Jahrhundert erst langsam entwickelt wurden und sich im 18. und 19. Jahrhundert in Reinform durchsetzten, ist seitdem eine weitere Optimierung der Disziplinartechniken zu beobachten. Zwar sind die Einflüsse der machtausübenden Institutionen selbst geschwunden (in der Schule durch Pädagogik, in der Firma durch Gewerkschaften und die Lehre vom Angestellten), dafür wurden aber immer mehr und immer subtilere Zwischeninstitutionen geschaffen, die erstens das Individuum durch kontrollierte Zugeständnisse gefügig hielten (Pädagogik, Rechte von Gefangenen, Schülern, Soldaten usw.) und zweitens sich immer breiter in der Gesellschaft verteilten (Schule wird über Zeugnisse und Leistungen mit Firma verbunden, Schule und Jugendamt und Mitbürger kooperieren bei der Überwachung von Familien etc.). Foucault beschreibt die Gesellschaft als ein Gebilde, das von kleinsten Machtlinien durchsetzt ist und in der alle Individuen ständig von Machtmechanismen besetzt werden. Macht soll dabei als etwas Vielgestaltiges, Vielschichtiges, Ungreifbares verstanden werden, das Menschen nicht besitzen, sondern höchstens in begrenztem Maße von strategischen Positionen aus steuern können. Äquivalent vertritt Foucault hier eine systemdarwinistische Position, das heißt Systeme (zum Beispiel Staaten, Firmen), deren Überwachung effektiv sowohl die Produktivität steigert als auch die Kosten für Herrschaft reduziert, setzen sich gegenüber anderen Systemen zwangsläufig durch.